| Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz

Wahlkampfstudio in Fraktionsräumen und Aufdruck der Adresse des Abgeordnetenhauses auf Wahlkampfflyern: Klagen gegen das Einschreiten des Landtagspräsidenten bleiben ohne Erfolg

Pressemitteilung Nr. 6/2021

Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz hat mit zwei heute bekannt gewordenen Beschlüssen vom 14. Mai 2021 Klagen der AfD-Landtagsfraktion (Az.: VGH O 23/21) sowie eines einzelnen Abgeordneten, der zugleich Landes­vorsitzender der AfD ist (Az.: VGH O 24/21), zurückgewiesen.

I.

Die Antragstellerin in dem Verfahren VGH O 23/21, die Fraktion der AfD im Landtag Rheinland-Pfalz, wandte sich im Wege des Organstreitverfahrens gegen die vom Land­tagspräsidenten im Januar 2021 ausgesprochene Untersagung der Überlassung eines ihrer Fraktionsräume an den Landesverband der AfD zur Nutzung als „Studio für den digitalen Wahlkampf“ zur Wahl des Landtags am 14. März 2021 sowie gegen die Auf­forderung, dafür Sorge zu tragen, dass die Anschrift des Abgeordnetenhauses – das zu den Liegenschaften des Landtags gehört – nicht weiter im Impressum eines Wahl­kampfflyers verwendet wird. Der Landtagspräsident hatte seine Anordnung damit begründet, dass die Nutzung des Fraktionsraumes als Wahlkampfstudio in verfas­sungsrechtlich unzulässiger Weise die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben der Frak­tion mit dem parteipolitischen Meinungs- und Wahlkampf verquicke. Mit der Adress­angabe in dem Wahlkampfflyer erfolge ebenfalls eine unzulässige Vermischung von Aufgaben, da der Eindruck erweckt werde, dass die Fraktion als öffentliche Stelle eine Partei in ihrem Wahlkampf unterstütze, weshalb sie gegenüber dem AfD-Landes­verband darauf hinwirken möge, dies zu unterlassen. Die Antragstellerin hatte das Wahlkampfstudio daraufhin unter Protest wieder abgebaut und darauf verwiesen, für den Wahlkampfflyer sei allein die Partei zuständig.

Bezüglich des Wahlkampfflyers verfolgte der Landtagspräsident sein Anliegen nach einem weiteren E-Mail-Austausch gegen­über der Fraktion nicht weiter, sondern richtete stattdessen eine entsprechende Auffor­derung an den Landesvorsitzenden der AfD, der zugleich Abgeordneter ist. Dieser wehrte sich daraufhin ebenfalls im Wege des Organ­streits in dem Verfahren VGH O 24/21 gegen diese Maßnahme.

II.

Der Verfassungsgerichtshof wies beide Klagen zurück.

1. Der Landtagspräsident habe mit der Untersagung der Nutzungsüberlassung des Fraktionsraumes im Abgeordnetengebäude des Landtags an den AfD-Landesverband zur Nutzung als Wahlkampfstudio die verfassungsrechtlichen Grenzen der Ausübung des Hausrechts nicht überschritten. Die hiergegen gerichtete Klage der AfD-Fraktion sei offensichtlich unbegründet.

Das Hausrecht des Landtagspräsidenten werde diesem durch die Landesverfassung als eigenständige Kompetenz zugewiesen und vermittele ihm die Befugnis, nicht nur zu entscheiden, wer das Landtagsgebäude betreten und/oder in ihm verweilen dürfe, sondern zur umfassenden Wahrnehmung der Sachherrschaft über die Gebäude und Liegenschaften des Landtags. Hierzu gehöre auch die Befugnis zu entscheiden, wie die Räume des Landtags funktionsgerecht zu nutzen seien und die notwendigen Maß­nahmen zu ergreifen, um eine zweckfremde Nutzung zu unterbinden. Das Hausrecht erstrecke sich auch auf die den Fraktionen überlassenen Fraktionsräume. Bei der Aus­übung des Hausrechts gegenüber den Fraktionen habe der Landtagspräsident aller­dings deren eigenes Nutzungsrecht zu beachten und zu wahren. Die gegenüber einer Fraktion zulässigen Maßnahmen seien grundsätzlich auf die Abwehr von Störungen für die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Landtags, die aus einer missbräuch­lichen Nutzung resultierten, begrenzt. Das Hausrecht müsse ferner gegenüber den Fraktionen gleichmäßig angewandt werden und die ergriffene Maßnahme verhältnis­mäßig sein.

Gemessen daran sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Landtags­präsident die konkrete Nutzungsüberlassung für Wahlkampfzwecke als missbräuchlich qualifiziert und untersagt habe. Die Nutzung dürfe angesichts der Notwendigkeit einer Grenzziehung zwischen den Aufgaben der Fraktion und der Partei nicht dazu führen, dass (räumliche) Ressourcen der Fraktion dafür verwandt würden, um mit ihrem Einsatz parteiwerbende, insbesondere wahlvorbereitende Wirkung zu entfalten. Hierin liege eine unzulässige Vermischung von Fraktions- und Parteiarbeit. Die Einrichtung eines Wahlkampfstudios in den Räumen der Fraktion durch die Partei stelle einen eklatanten Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben dar. Der Landtagspräsident habe dies zu Recht unterbunden.

2. Soweit die Organklagen gegen die Aufforderung des Landtagspräsidenten gerichtet sind, die weitere Verteilung des Wahlkampfflyers zu unterlassen bzw. auf den Landes­verband einzuwirken, dies sicherzustellen, seien diese Anträge bereits unzulässig und hätten schon deshalb keinen Erfolg. Die Aufforderung gegenüber der Fraktion, ent­spre­chend auf den Landesverband der Partei einzuwirken, habe sich erledigt, da der Land­tagspräsident dies nicht weiter verfolgt habe. Das objektive Klarstellungsinteresse sei daher entfallen. Der Landesvorsitzende der AfD schließlich habe bereits nicht dargetan, dass die Aufforderung des Landtagspräsidenten ihn in seinen Abgeordnetenrechten beeinträchtige, was allerdings Voraussetzung für die Organklage sei. Er sei von dem Landtagspräsidenten ausdrücklich nicht als Abgeordneter, sondern als Landesvorsit­zender der AfD in Anspruch genommen worden.
 

Beschlüsse vom 14. Mai 2020, Aktenzeichen: VGH O 23/21 und VGH O 24/21
 

Die Entscheidungen können hier abgerufen werden.

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