| Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz

Verfassungsbeschwerde von Joachim Paul gegen Nichtzulassung zur Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen bleibt ohne Erfolg

Pressemitteilung Nr. 6/2025

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde des von der Alternative für Deutschland – AfD – nominierten Kandidaten Joachim Paul gegen die Entscheidung des Wahlausschusses, ihn nicht zur Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen am 21. September 2025 zuzulassen, und die hierzu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Eilentscheidungen bleibt ohne Erfolg. Dies entschied der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz.

I.

Der Beschwerdeführer ist Mitglied der AfD und des Stadtrats von Koblenz sowie des Landtags Rheinland-Pfalz. Die AfD schlug ihn als Kandidaten für die Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt Ludwigshafen am 21. September 2025 vor.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2025 erinnerte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz (ADD) an die Anforderungen bei der Prüfung und Zulassung der eingereichten Wahlvorschläge. Die Bewerber für ein kommunales Wahlamt seien nach den gesetzlichen Voraussetzungen unter anderem nur dann wählbar, wenn sie die Gewähr dafür böten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Daraufhin wandte sich die Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen an das Ministerium des Innern und für Sport und bat unter Verweis auf Angaben zum Beschwerdeführer bei Wikipedia und im Verfassungsschutzbericht 2024 des Landes Rheinland-Pfalz um Mitteilung etwaiger objektiver Anhaltspunkte, nach denen seine Verfassungstreue für ein kommunales Wahlamt nicht gegeben sein könnte. Sofern sie keine konkreten Hinweise erhalte, werde sie dem Wahlausschuss den entsprechenden Wahlvorschlag mit der Empfehlung der Zulassung vorlegen.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2025 übersandte die Abteilung Verfassungsschutz des Ministeriums des Innern und für Sport der Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen die aus dortiger Sicht relevanten offenen und gerichtsverwertbaren Erkenntnisse zum Beschwerdeführer. Daraufhin beschloss der Wahlausschuss in seiner Sitzung vom 5. August 2025 mit 6:1 Stimmen, den Wahlvorschlag der AfD – den Beschwerdeführer – zurückzuweisen. Zur Begründung führte er an, es sei zu bezweifeln, dass der Beschwerdeführer die Gewähr dafür biete, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten.

Gegen diese Entscheidung suchte der Beschwerdeführer um verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz nach und beantragte, ihn als Kandidaten zur Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt Ludwigshafen am 21. September 2025 zuzulassen. Mit Beschluss vom 18. August 2025 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab (vgl. Pressemitteilung Nr. 14/2025 des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße). 

Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. August 2025 zurück (vgl. Pressemitteilung Nr. 14/25 des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz). Zur Begründung führte es aus, es entspreche gefestigter verfassungs- und verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, dass gerade auch im Bereich von Kommunalwahlen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren bezögen, nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden könnten. Eine Ausnahme hiervon sei jedoch dann zu machen, wenn bei summarischer Prüfung bereits vor der Wahl festgestellt werden könne, dass das Wahlverfahren an einem offensichtlichen Fehler leide, der in einem Wahlprüfungsverfahren zur Erklärung der Ungültigkeit der Wahl führen werde. Die Entscheidung des Wahlausschusses der Stadt Ludwigshafen, den Beschwerdeführer zurückzuweisen, sei aber nicht offensichtlich fehlerhaft. Denn es bestünden hinreichende Anhaltspunkte, dass er nicht die Gewähr dafür biete, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Diese Anhaltspunkte ergäben sich bereits daraus, dass er wiederholt die Verbreitung von sogenannten Remigrationsplänen zumindest unterstützt habe, ohne sich insoweit von einem nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Einklang stehenden Verständnis derartiger Pläne zu distanzieren. Ob sich die aufgrund der Angaben im Schreiben der Abteilung Verfassungsschutz des Ministeriums des Innern und für Sport vom 29. Juli 2025 begründeten Zweifel auch in tatsächlicher Hinsicht als hinreichend tragfähig erwiesen, müsse einer Prüfung in einem etwaigen Wahlprüfungsverfahren vorbehalten bleiben.

Mit seiner daraufhin erhobenen Verfassungsbeschwerde, die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist, macht der Beschwerdeführer geltend, in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz, seinem passiven Wahlrecht, dem Benachteiligungsverbot wegen politischer Anschauungen, seinem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit und seiner Vereinigungsfreiheit verletzt zu sein.

II.

Der Verfassungsgerichtshof wies die Verfassungsbeschwerde zurück. Sie sei teilweise unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet.

1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines passiven Wahlrechts, des Benachteiligungsverbots wegen politischer Anschauungen, seines Rechts auf Meinungsäußerungsfreiheit und seiner Vereinigungsfreiheit geltend mache, sei die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie nicht den verfassungsprozessualen Grundsatz der Subsidiarität wahre. Danach sei der Beschwerdeführer gehalten, in Bezug auf die vorstehend genannten, von ihm behaupteten Rechtsverletzungen zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz in der Hauptsache – mithin im Wahlprüfungsverfahren – in Anspruch zu nehmen. 

Die vorherige Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes in der Hauptsache sei für den Beschwerdeführer auch nicht unzumutbar. Weder erscheine die Durchführung des Wahlprüfungsverfahrens von vornherein aussichtslos noch hänge die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen Aufklärung ab und seien diejenigen Voraussetzungen gegeben, unter denen der Verfassungsgerichtshof vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung absehen könne. Auch sonstige Gründe, die den Verweis auf das nachträgliche Wahlprüfungsverfahren unzumutbar erscheinen ließen, lägen nicht vor. Soweit der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde ausführe, ein obsiegendes Gerichtsurteil im Wahlprüfungsverfahren käme „zu spät“, weil dann schon ein großer Teil der Amtszeit des Oberbürgermeisters verstrichen sein werde und sich die positive Entscheidung dann kaum mehr auswirken könne, übersehe er, dass im Fall einer Wiederholungswahl das Wahlergebnis neu festgestellt werde und demgemäß auch die achtjährige Amtszeit des Oberbürgermeisters von neuem beginne.

2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf effektiven Rechtsschutz darin erblicke, dass die Verwaltungsgerichte ihren Entscheidungen einen zurückgenommenen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hätten, sei die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. 

Die Annahme der Fachgerichte, dass Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, grundsätzlich nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen im nachträglichen Wahlprüfungsverfahren angefochten werden könnten und einstweiliger Rechtsschutz im Vorfeld einer Kommunalwahl vor diesem Hintergrund nur ausnahmsweise – nämlich im Fall offensichtlicher Fehler, die in einem Wahlprüfungsverfahren zur Erklärung der Ungültigkeit der Wahl führen würden – zulässig sei, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Auslegung und Anwendung des Verfahrensrechts führe zwar dazu, dass im Vorfeld einer Kommunalwahl kein lückenloser einstweiliger Rechtsschutz erlangt werden könne. Diese Beschränkung von Art. 124 LV sei indes jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn – wie hier durch das Wahlprüfungsverfahren – im Hinblick auf eine geltend gemachte Verletzung des passiven Wahlrechts und anderer Wahlrechtsgrundsätze nachgelagerter subjektiver Rechtsschutz zur Verfügung stehe.

Denn bei einer Wahl handele es sich um ein Massenverfahren, das zügig durchgeführt werden und zeitnah zur Feststellung des Wahlergebnisses führen müsse. Ihr reibungsloser Ablauf könne nur gewährleistet werden, wenn die Rechtskontrolle der zahlreichen auf das Wahlverfahren bezogenen Einzelentscheidungen während des Wahlablaufs begrenzt werde und im Übrigen einer nach der Wahl stattfindenden Prüfung vorbehalten bleibe. Wären alle Entscheidungen, die sich unmittelbar auf die Vorbereitung und Durchführung einer Kommunalwahl beziehen, vor dem Wahltermin mit Rechtsmitteln angreifbar, käme es im Verfahren zur Organisation der Wahl, das durch zahlreiche zu beachtende Termine und Fristen geprägt sei, zu erheblichen Beeinträchtigungen. Umfangreichere Sachverhaltsermittlungen und die Klärung schwieriger tatsächlicher und rechtlicher Fragen wären kaum ohne erhebliche Auswirkungen auf die fristgerechte Durchführung des Wahlverfahrens möglich. Das Demokratieprinzip verlange jedoch regelmäßig stattfindende Wahlen und schütze ihre tatsächliche termingerechte Abhaltung. Der Grundsatz nachgelagerten Wahlrechtsschutzes sei zur Funktionssicherung demokratischer Wahlen daher auch für Kommunalwahlen in der Verfassung zumindest angelegt. Die für den grundsätzlichen Vorrang einer nachträglichen Wahlprüfung sprechenden Gründe könnten der Beschränkung der Rechtsschutzgarantie vor diesem Hintergrund jedenfalls die Waage halten. Unzumutbare und irreparable Rechtsbeeinträchtigungen gingen damit für den Beschwerdeführer nicht einher.

Dafür, dass das Oberverwaltungsgericht diesen Maßstab im konkreten Fall in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise angewandt und die Offensichtlichkeit eines Wahlrechtsverstoßes in nicht nachvollziehbarer Weise verneint hätte, sei nichts ersichtlich.

III.

Mit der Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Beschluss vom 17. September 2025, Aktenzeichen: VGH B 27/25 und VGH A 28/25

Die Entscheidung kann hier abgerufen werden.

Teilen

Zurück