Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz hat mit Beschluss vom 19. November 2019 die Verfassungsbeschwerde eines Strafverteidigers wegen der Versagung eines Rechtsanwaltsbesuchs bei einem Untersuchungsgefangenen in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) des Landes zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. Er war Strafverteidiger eines Beschuldigten in Untersuchungshaft; seine Verteidigerstellung war der JVA vom Gericht mitgeteilt worden. Der Verteidiger ließ von der Rechtsanwaltskammer einen Kollegen zu seinem allgemeinen Vertreter bestellen. Als der Vertreter unter Vorlage des Bestellungsschreibens den Beschuldigten in der Untersuchungshaft zu einem Gespräch besuchen wollte, wurde er von der JVA unter Hinweis auf ein Rundschreiben des Ministeriums der Justiz zurückgewiesen. Danach würden der JVA durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft die Verteidiger mitgeteilt und von der JVA als solche eingetragen; den so eingetragenen Verteidigern werde von der JVA der Besuch gestattet. Dass sich der Vertreter in der JVA mit dem Bestellungsschreiben als Vertreter des (mitgeteilten und eingetragenen) Verteidigers ausweisen könne, reiche nicht aus.
Dagegen hat der Strafverteidiger die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die Verweigerung des Besuchs seines Vertreters rechtswidrig gewesen sei. Mit diesem Antrag hatte er sowohl beim Landgericht als auch beim Oberlandesgericht keinen Erfolg. Zwar gewährleiste die Strafprozessordnung dem Verteidiger eine ungehinderte Kommunikation mit dem Beschuldigten in Untersuchungshaft. Die Prüfung des Verteidigungsverhältnisses obliege nach den strafprozessualen Vorgaben – § 119 Abs. 4 Satz 3 Strafprozessordnung –, die das ministerielle Rundschreiben wiedergebe, dem Gericht bzw. der Staatsanwaltschaft und nicht der JVA. Gleiches gelte für die Prüfung des Vorliegens eines Vertretungsverhältnisses. Alleine der Nachweis der Bestellung zum Vertreter des eingetragenen Verteidigers gegenüber der JVA genüge nicht.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde machte der Verteidiger eine Verletzung seiner Berufsfreiheit geltend. Er sei auf ein besonderes Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten angewiesen, das vorliegend bereits gefährdet gewesen sei, nachdem sein Vertreter den Mandanten bei akutem Gesprächsbedarf nicht habe aufsuchen können. Der bestellte Vertreter eines Verteidigers trete bei Verhinderung an seine Stelle und müsse allenfalls der JVA seine Bestellung nachweisen, nicht aber vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft bestätigt werden.
Der Verfassungsgerichtshof wies die Verfassungsbeschwerde zurück.
Die vom Beschwerdeführer angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Anforderungen an den Nachweis der Verteidigerstellung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere lasse die Würdigung des Fachgerichts keine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit des Rechtsanwalts erkennen.
Die Berufsfreiheit gewährleiste dem Rechtsanwalt eine von staatlicher Kontrolle freie Berufsausübung und schütze dazu insbesondere das Vertrauensverhältnis zum Mandanten. Das von der Strafprozessordnung als Grundlage effektiver Verteidigung geschützte Recht auf unüberwachte Kommunikation zwischen Beschuldigtem und Verteidiger setze ein wirksames Verteidigungsverhältnis voraus. Die vom Gericht bzw. von der Staatsanwaltschaft und von der JVA – unter Verweis auf das ministerielle Rundschreiben – geübte Praxis für die Prüfung des Vorliegens eines solchen beinhalte eine formale Anforderung, die nur eine geringe Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Strafverteidigers darstelle. Der Verteidiger könne ohne größeren Aufwand seine Verteidigerstellung bzw. die Bestellung eines Vertreters dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft mitteilen und damit die Eintragung bei der JVA erreichen. Auch der Beschwerdeführer stelle nicht in Frage, dass der Strafverteidiger die Verteidigerstellung nachweisen müsse. Es gehe allein darum, gegenüber wem und auf welchem Wege dies zu geschehen habe. Demgegenüber diene es dem staatlichen Interesse an der wirksamen Strafverfolgung, wenn zur Sicherung der Zwecke der Untersuchungshaft die Einhaltung der insoweit geltenden Maßgaben überwacht werde. Eine hinreichende Kontrolle durch einen JVA-Bediensteten alleine anhand der vor Ort vorgelegten Bestellungsurkunde sei „am Gefängnistor“ und ohne genaue Kenntnis über Stand und Besonderheiten des Verfahrens nur unvollkommen zuverlässig möglich. Allein das Gericht oder die Staatsanwaltschaft kenne den dafür relevanten Sachstand.
Beschluss vom 19. November 2019, Aktenzeichen: VGH B 10/19
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