Die Zahl der Verfahrenseingänge am Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz erreichte im Jahr 2020 mit insgesamt 83 neuen Verfahren einen neuen Höchststand seit Gründung des Gerichts im Jahr 1947. Gegenüber dem Vorjahr 2019 (42 Eingänge) hat sich die Zahl der Neueingänge nahezu verdoppelt, wie der Verfassungsgerichtshof in Koblenz mitteilte. Die gleiche Zahl von Verfahren hat der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2020 erledigt, also ebenfalls 83.
I.
Verfassungsbeschwerden machten erneut den Löwenanteil der Neueingänge aus: 77 und damit über 90 % der Verfahren im Jahr 2020 waren Verfassungsbeschwerden (darunter 15 Eilverfahren). Erledigt wurden im gleichen Zeitraum 76 Verfassungsbeschwerden (darunter 15 Eilverfahren). Thematisch entfiel mit zwölf Fällen ein beträchtlicher Anteil an den Verfahren auf Verurteilungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen im Straßenverkehr (sog. Blitzerverfahren). Eine dieser Verfassungsbeschwerden war erfolgreich: Im Januar 2020 hob der Verfassungsgerichtshof die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes im Straßenverkehr wegen der Verletzung seiner Grundrechte auf effektiven Rechtsschutz und den gesetzlichen Richter auf (vgl. Pressemitteilung Nr. 2/2020).
Sog. „Corona-Verfahren“ folgten erst an zweiter Stelle: Mit insgesamt acht Verfahren schlugen Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen die Corona-Bekämpfungsverordnung des Landes bzw. gegen einzelne Maßnahmen wie insbesondere die sog. „Maskenpflicht“ zu Buche. Von diesen „Corona-Verfahren“ war wie auch von den übrigen Verfassungsbeschwerdeverfahren keines erfolgreich (vgl. u.a. Pressemitteilung Nr. 4/2020). Sämtliche diesbezügliche Verfassungsbeschwerden waren bereits unzulässig.
Die Erfolgsquote in Verfassungsbeschwerdeverfahren betrug damit insgesamt 1,3 %.
II.
Der Verfassungsgerichtshof entschied im Jahr 2020 außerdem in mehreren Normenkontrollverfahren, in Organstreitverfahren und in einer Wahlbeschwerde. So erklärte er im Dezember 2020 den Kommunalen Finanzausgleich in seiner jetzigen Form für verfassungswidrig (vgl. Pressemitteilung Nr. 11/2020). Erfolglos blieben demgegenüber sowohl die Klage, die eine aus ihrer Fraktion ausgeschlossene Abgeordnete gegen ihren Ausschluss angestrengt hatte (vgl. Pressemitteilung Nr. 10/2020) als auch die Klage, mit der eine fraktionslose Abgeordnete spezielle Gruppenrechte gegenüber dem Landtag hat einklagen wollen (vgl. Pressemitteilung Nr. 6/2020). Auch die Wahlbeschwerde eines nicht zum Abgeordneten berufenen Wahlbewerbers blieb im vergangenen Jahr erfolglos (vgl. Pressemitteilung Nr. 3/2020).
III.
Verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz sei nach den Worten des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Dr. Lars Brocker damit im Jahr 2020 auch unter den besonderen Umständen der Corona-Pandemie ohne Einschränkungen umfassend und zeitnah gewährleistet worden. „Der Rechtsstaat ist nicht im Lockdown. Gerade auch in der Krise muss er alles tun, um die Grundrechte zu schützen und rechtsstaatliches Vorgehen sicherzustellen“, betonte Brocker. Dies gelte nicht nur für den Verfassungsgerichtshof, sondern auch für die Fachgerichte, die im Land verlässlich ihren Betrieb aufrechterhielten. Hierauf könnten die Bürger nach seiner Einschätzung auch weiterhin vertrauen. Den Anstieg der Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof wertete Brocker als ein grundsätzlich positives Zeichen. Er zeige, dass die Bürger ihr Verfassungsgericht in der Krise verstärkt als zentrale Kontrollinstanz begriffen und annähmen. Dies beschränke sich, wie die Zahlen zeigten, nicht allein auf staatliche Maßnahmen in Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Dieses Vertrauen der Bürger sei essentiell für den demokratischen Rechtsstaat und die Legitimität staatlichen Herrschaftshandelns. Der Verfassungsgerichtshof werde auch in Zukunft alles daransetzen, um mit den gestiegenen Eingangszahlen weiterhin Schritt zu halten.
IV.
Laut Auskunft des Verfassungsgerichtshofs halte der Trend zu einem weiteren Anstieg der Verfahren nämlich auch im Jahr 2021 unvermindert an. Im Januar seien bereits neun neue Verfahren eingegangen. Dazu zählten auch der Normenkontrollantrag einer Landtagsfraktion betreffend das im vergangenen Jahr gebildete Corona-Sondervermögen des Landes sowie ein wahlrechtliches Verfahren im Vorfeld der Landtagswahl am 14. März 2021. Über letzteres sei bereits mit Beschluss vom 28. Januar 2021 entschieden worden (vgl. Pressemitteilung Nr. 2/2021) ebenso wie über ein wahlrechtliches Verfahren zur Höhe der Quoren für Unterstützerunterschriften zur Landtagswahl (vgl. Pressemitteilung Nr. 1/2021).